In den letzten Monaten hat sich viel getan: Das Festival 2024 wurde abgeschlossen, und die Vorbereitungen für die Jubiläumssaison 2025 laufen auf Hochtouren. Die Tage sind voller Aufgaben, Sitzungen und Projekte. Aus diesem Grunde hat sich eine kleine neue Tradition zwischen dem Intendanten und der Geschäftsführerin des Davos Festivals herausgebildet. Sie treffen sich, oft wirklich zu eher «nachtschlafender Stunde», um sich abzustimmen, Ideen zu entwickeln, sich über Inhalte und Strategien auszutauschen, und nicht selten auch, über Begriffe, philosophische und ethische Ansätze oder politische Fragen rund um das Festival zu philosophieren.
Wir haben einige, wie wir finden, spannende Fragen aus diesen Gesprächsrunden herausgegriffen und hier für Sie zusammengestellt, sodass so etwas wie zwei kleine Interviews entstanden sind.
Ich bin grad auf dem Weg nach Berlin. Was ist für dich das Besondere am Davos Festival?
Das sind ganz viele unterschiedliche Dinge. Ich finde es grossartig, dass sich das Festival auf die Fahne geschrieben hat, junge Künstler*innen zu fördern und ihnen eine Bühne zu geben. Zudem finde ich es wundervoll, dass viele der jungen Musiker*innen über einen eher längeren Zeitraum hier vor Ort sind, miteinander proben, neue Ideen entwickeln und ausprobieren und innerhalb von knapp zwei Wochen zu einer «Festivalfamilie» zusammenwachsen.
Ein anderer Aspekt, der mir unglaublich gut gefällt, ist, dass es in jedem Jahr einen wirklichen roten Faden in Form eines Leitgedankens gibt, der sich durch alle Konzerte und die Begleitprogramme zieht. Das – und dass es gleichermassen Alte wie Neue Musik zu hören gibt.
Welchen Ort sollte jeder in Davos einmal besuchen?
Das ist in meinen Augen die falsche Frage! Sie müsste lauten: «Welchen Ort sollte jeder einmal besuchen?» Und die Antwort wäre ganz klar: DAVOS!!!
In Davos gibt es unzählige wunderbare Orte, Lokale, Plätze. Sie hier alle aufzuzählen, würde ganz klar den Rahmen sprengen.
Wenn ich mich für eine Epoche entscheiden sollte, würde ich sehr, sehr gerne eine Weile im Barock leben, denn das war eine der Zeiten mit den spektakulärsten Veränderungen, den ersten echten Fantasy-Romanen, dem ersten Börsencrash und einem unfassbaren Reichtum an neuen wissenschaftlichen und künstlerischen Ideen.
Was ist dir in den ersten Monaten in Davos besonders aufgefallen?
Was wirklich verrückt ist: Gefühlt bin ich nicht erst wenige Wochen hier. Ich bin hier daheim; und das ist genau das, was mir am meisten aufgefallen ist. Zugegeben: Ich arrangiere mich schnell mit Situationen. Aber es gibt einen himmelweiten Unterschied zwischen einem Arrangement und dem Begriff «daheim»! In dieser Stadt gibt es unglaublich viel zu erleben, tolle Kulturstätten, sagenhaft gute Konzerte (und beileibe nicht nur unsere), jedes Sportangebot, was das Herz begehrt, tolle Läden, fabelhafte Restaurants, aber – und das ganz vor allen Dingen – zauberhafte Menschen.
Ich bin mit einer solchen Freundlichkeit und Herzlichkeit aufgenommen und in das Leben eingebunden worden. Das hat absoluten Seltenheitswert, und ich bin unglaublich dankbar dafür!
Wenn du eine Zeitreise machen könntest: Welche Stationen würdest du unbedingt besuchen wollen?
Oh, das ist für einen so neugierigen Menschen wie mich eine unglaublich schwierige Frage. Ohne Zweifel wäre ich sehr gerne in den Genuss gekommen, die sieben Weltwunder zu sehen, solange sie intakt waren!
Die Planung und den Bau der ersten Pyramiden hätte ich unglaublich gerne miterlebt. Dahinter steckt eine so phänomenale logistische wie architektonische Leistung, dass ich mir kaum vorstellen kann, wie sich das für die damals lebenden Menschen angefühlt haben muss. Aus den gleichen Gründen wäre ich unheimlich gerne bei der Eröffnung des Parthenon dabei gewesen. Das muss ein sagenhafter Moment gewesen sein. Ereignisse dieser Art gibt es noch unzählige: die Aufführung der ersten Oper, die erste Weltausstellung, die Luftfahrt des ersten Zeppelins. Aber mich würde beispielsweise ebenso interessieren, wie es Oppenheimer in dem Moment ergangen ist, als er verstand, was er geschaffen hat und welch unfassbares Potenzial, aber eben auch Risiko, damit verbunden ist. Ich würde Leonardo da Vinci gerne bei seinen Forschungen über die Schulter schauen und an seinen Gedanken Anteil haben. Wenn ich mich für eine Epoche entscheiden sollte, würde ich sehr, sehr gerne eine Weile im Barock leben, denn das war eine der Zeiten mit den spektakulärsten Veränderungen, den ersten echten Fantasy-Romanen, dem ersten Börsencrash und einem unfassbaren Reichtum an neuen wissenschaftlichen und künstlerischen Ideen.
Welche Musik hörst du im Alltag?
Das ist ganz bunt gemischt. Die Frage ist, sprechen wir hier über beruflich oder privat.
Beruflich ist es natürlich vorwiegend Klassik, und da wirklich mit grosser Begeisterung «bunt gemischt». Privat wäre es vor allem Alte Musik und, das wird niemanden wundern, vor allem Blockflötenmusik. Meine zweite grosse Liebe ist die Musik der Fünfziger- und Sechzigerjahre. Für den Sport, vor allem im Studio, darf es dann gerne auch Irish Punk Rock sein.
Welches Projekt würdest du anpacken, wenn du unbegrenzt Zeit hättest?
Das ist eine sehr schwierige Frage, denn um ehrlich zu sein bemühe ich mich, alle Dinge, die mir wichtig sind, Projekte, an die ich glaube, oder Dinge, die ich gerne lernen würde, in den Alltag zu integrieren. Das klappt natürlich mal besser und mal schlechter. Aber tatsächlich kann ich mir hier den grössten Teil meiner Träume erfüllen. Und wenn ich unbegrenzt Zeit hätte, würde ich es gerne in all diesen Bereichen zu der mir bestmöglichen Meisterschaft bringen.
Die Frage müsste eher sein, «Wenn du zu der Zeit auch noch die benötigten Mittel hättest». Dann wäre meine Vision, mich deutlich mehr in der Jugendförderung einzusetzen und so vielen Kindern und Jugendlichen wie nur möglich den Zugang zu Musik, Kunst, Sprachen und kulturellem Austausch zu ermöglichen.
Ich finde es grossartig, dass sich das Festival auf die Fahne geschrieben hat, junge Künstler*innen zu fördern und ihnen eine Bühne zu geben.
Was darf in deinem Kühlschrank niemals fehlen?
Ein bisschen Obst, feiner Käse und ohne Zweifel Schoggi! Wenn ich dann noch einen Wunsch frei habe, gerne noch ein guter Weisswein.
Worin siehst du deine wichtigste Aufgabe als neue Geschäftsführerin des DF?
Ich glaube aus tiefstem Herzen, dass das Davos Festival eines der grossartigsten Festivals ist, die es national wie auch international gibt. In diesem Jahr feiern wir die 40. Ausgabe dieses in vielem sehr untypischen Festivals mit den dauernd wechselnden Locations hier oben in den Bergen, den jungen Künstler*innen und der häufig sehr modernen bis zeitgenössischen Musik. Unzählige Karrieren haben hier ihren Anfang genommen, und wir sind inzwischen ein kaum mehr wegzudenkender Teil der Festivalszene.
Tatsächlich ist meine wichtigste Aufgabe, dafür zu sorgen, dass dieses wunderbare und höchst anspruchsvolle Festival, das einen entscheidenden Beitrag zur Jugendförderung leistet, sich immer wieder neu erfindet und dennoch seinen Ursprüngen stets treu bleibt, damit wir in zehn Jahren mit grossem Stolz ein halbes Jahrhundert Davos Festival feiern können.
Dafür ist es nötig, stets den administrativen Bereich weiterzuentwickeln, eng mit den anderen Kulturschaffenden und Behörden in der Region ebenso wie mit den Förderern, Stiftungen und Sponsoren zusammenzuarbeiten und so das Festival fit für die nächste grosse Etappe zu machen.
Warum braucht es heutzutage noch Sommerfestivals?
Ich versuche, diese Frage so kurz wie möglich zu beantworten, denn allein über die Frage «Braucht es Musikfestivals» liessen sich mehrere Bücher schreiben.
Musikfestivals sind immer noch etwas Besonderes. Anders als bei einem einzelnen Konzert trifft man sich mehrmals (im Fall des Davos Festival sogar mehrmals am Tag). Man hört nicht nur Musik, sondern man tauscht sich aus, lernt neue Menschen kennen, entdeckt für sich immer wieder neue Locations, Komponistinnen, Musiker – und das alles in einer entspannten Atmosphäre mit Gleichgesinnten. Man pflegt einen regen Austausch mit den Künstler*innen, speist und trinkt in bester Gesellschaft und hat eine gute Zeit.
Das ist im Grunde wie eine eigene kleine Bubble. So etwas wie ein Miniurlaub vom Alltag, der es einem aber erlaubt, tiefer einzutauchen, als dies ein Abonnement könnte.
Kommt dann noch das herrliche Bergwetter hinzu …
In unserer überaus schnelllebigen Zeit, in der jede Information und jedes Erlebnis nur noch einen Klick entfernt ist, ist es in meinen Augen sehr wichtig, etwas «Echtes» zu haben. Ein bisschen zu entschleunigen und sich einmal wieder in Ruhe auf etwas einlassen zu können, ist heutzutage ein wahrer Luxus. Kunst und Kultur brauchen ein bisschen Ruhe und Abstand vom Alltag. Egal, wie turbulent ein Festival auch sein mag: Es schafft eben diesen Raum, der so wertvoll ist.
Wonach sehnst du dich?
Tatsächlich kann ich auf diese Frage kaum antworten, ohne pathetisch zu klingen, dafür ist es aber vermutlich die kürzeste Antwort, die ich je gegeben habe: FRIEDEN.